Neue Technologien wie aktuell die Digitalisierung wecken Ängste vor Arbeitsplatzverlusten. Die Geschichte zeigt aber, dass diese Befürchtungen unberechtigt sind, denn wenn an einer Stelle Jobs wegfallen, so entstehen anderswo neue.
Als 1844 in Schlesien mechanische Webstühle die Handarbeit
verdrängten, kam es zum Weberaufstand, den Literaturnobelpreisträger Gerhart
Hauptmann unsterblich machte. Das Elend der arbeitslosen Weber und die grausame
Unterdrückung des Aufstands bewegte die Welt.
Die Situation heute ist nicht ganz so dramatisch, aber die
Angst vor Arbeitsplatzverlust ist durchaus real und nicht unberechtigt. Das
verdeutlicht die aktuelle Studie „Digitalisierung und Arbeitswelt - aus der
Sicht von Fachkräften mit Berufsausbildung“ von Meinestadt.de
Vor allem Facharbeiter ohne Abitur sehen sich bedroht. Obwohl
vier von fünf Erwerbstätigen in Deutschland keinen Hochschulabschluss besitzen,
wird das Thema Digitalisierung und die damit verbundenen Ansätze zu New Work
bisher fast ausschließlich aus Sicht der akademischen Minderheit betrachtet,
kritisieren die Autoren der Studie.
Wie wichtig nichtakademische Arbeit immer noch ist, hat die
aktuelle Krise gezeigt. Ohne das Engagement und den Mut der „Corona-Helden“ von
Pflegekräften, Supermarktangestellten und Bus- oder Lkw-Lenkern wäre innerhalb
von Stunden das Chaos ausgebrochen. Besonders viele Krisenhelfer waren
weiblich.
Aber gerade diese Zielgruppe hat Angst um ihre Jobs: Grundsätzlich sehen 72,9 % der befragten
Fachkräfte Arbeitsplätze durch die Digitalisierung bedroht, wobei aus der Sicht
von 40,7 % die Digitalisierung sowohl Arbeitsplätze vernichtet als auch neue
schafft. Weit verbreitet ist die Befürchtung, dass die durch die
Digitalisierung verursachte Arbeitslosigkeit vor allem die Unqualifizierten
trifft, die über keine Berufsausbildung verfügen.
Fachkräfte stufen ihre persönlichen Kompetenzen im Hinblick
auf die Digitalisierung überwiegend als eher gering ein: 56,5 % der Befragten
ordnen sich auf einer Skala von 1 (sehr niedrig) bis 5 (sehr hoch) nur bei den
Werten 1 bis 3 ein. Im Hinblick auf konkrete digitale Fähigkeiten fühlen sich
Fachkräfte bei alltäglichen Tätigkeiten wie dem Umgang mit dem Smartphone oder
den sozialen Medien noch fit oder sehr fit. Bei jobnahen Fähigkeiten wie
virtueller Kommunikation oder dem Umgang mit großen Datenmengen fühlt sich die
Mehrheit der Fachkräfte schon deutlich unsicherer.
Um mit diesen Ängsten umzugehen und sie abzubauen, ist
Führungsfähigkeit gefragt. Ein erster Schritt ist es, auf die Beschäftigten
zuzugehen und ihre Bedenken ernst zu nehmen. Besonders groß ist der Wunsch nach
Weiterbildung.
Nur jede fünfte Fachkraft hat schon einmal an einer
Weiterbildungsmaßnahme zur Digitalisierung teilgenommen. Besonders niedrig ist
der Anteil im Handel und im Handwerk, vergleichsweise hoch dagegen im
öffentlichen Sektor und in der Pflege.
Ganz oben auf der Wunschliste stehen moderne Hardware
(Handy, Tablet, Laptops etc.) und Software sowie mehr Schulungen und Fortbildungen.
Arbeitgeber sollten die Wünsche aufnehmen und nicht knausern, auch wenn es in
der aktuellen Situation schwerfällt.
Unternehmen können es sich nicht leisten, die
Digitalisierung aufzuschieben, weil sie dadurch Gefahr laufen, von der agileren
Konkurrenz überholt werden. Unternehmensleitungen müssen sich daher aktiv mit
der Thematik beschäftigen und die Akzeptanz von Digitalisierung fördern.
Vor der Einführung neuer Technologien ist es wichtig, den
Fachkräften den Handlungsbedarf und die Notwendigkeit der Digitalisierung
schlüssig zu vermitteln. Allen Mitarbeitern sollte klar werden, was die
Digitalisierung ihnen persönlich bringt.
Im besten Fall können Arbeitgeber ein digitales Leitbild
definieren, eine Art Fahrplan, auf welchem Digitalisierungsstand sie in fünf
Jahren mit ihrem Unternehmen sein möchten. Dann stehen die Chancen gut, dass
die Beschäftigten einen ersten Schritt aus der Komfortzone machen und
langfristig mitziehen.
Nicht alle Beschäftigten sind in Sachen Digitalisierung auf
dem gleichen Stand. Mit einem kurzen „Fitnesstest“ oder der Bitte um
Selbsteinschätzung anhand weniger Fragen können Arbeitgeber herausfinden, wie
die Angestellten ihre Kompetenz im Hinblick auf die aktuell verwendeten Tools,
Programme und Technologien einschätzen.
Eine Umfrage könnte ebenfalls Aufschluss darüber geben, wie
offen die Belegschaft Neuerungen gegenübersteht und was das für Arbeitgeber bei
der Umsetzung neuer Maßnahmen bedeutet. Es ist sinnvoll, Weiterbildungen anzubieten,
wenn sich Defizite zeigen.
Arbeitgeber sollten Strukturen oder Formate schaffen, wie
Wissen und Erfahrungswerte intern weitergegeben werden können. Das erhöht die
Wertschätzung und den Teamzusammenhalt und spart außerdem Schulungskosten.
Veraltete Maschinen, Prozesse oder unnötige Papierwüsten
sind kein Qualitätssiegel für einen modernen und zukunftsorientierten
Arbeitgeber. Zeigen Sie eine klare Vision auf, wie Sie sich die Vorteile der
Digitalisierung vorstellen.
Maschinenstürmer waren noch nie erfolgreich. Schlesien
entwickelte sich nach dem Weberaufstand binnen weniger Jahre zu einem
industriellen Herzland Deutschlands, dem zweitwichtigsten neben dem Ruhrgebiet,
und die arbeitslosen Weber wurden zu Industriearbeitern.
Es wird immer wieder Arbeitsplatzverluste durch moderne
Technologien geben, aber es bilden sich dann stets neue Beschäftigungsfelder
heraus. Wichtig ist, dass Unternehmen den digitalen Wandel gestalten und ihre
Angestellten auf diesem Weg mitnehmen.
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